Viele Unternehmer sind für alles ansprechbar, wissen über jedes Detail Bescheid und merken irgendwann, dass sich das Unternehmen nicht mehr weiterentwickelt. Alles kreist um sie herum, was die meisten Inhaber irgendwann als Belastung empfinden.
Ein vertrauter Moment
Ich kenne diese Phase nur zu gut. Ich dachte, dass ich alles selbst kontrollieren muss, um es im Griff zu haben.
„Früher wollte ich alles alleine schaffen. Ich war so drauf, dass ich vieles lieber selbst gemacht habe, weil ich dann wusste, dass es „gut“ und „richtig“ gemacht wird.“ (aus: Teamspirit von Oliver Bornemann)
Diese Haltung ist nachvollziehbar. Sie entsteht oft aus Verantwortungsgefühl und dem Wunsch, Kunden und Mitarbeiter nicht im Stich zu lassen. Doch sie ist auch der Anfang eines Musters, das Unternehmen langfristig bremst.
Was Struktur im Unternehmen wirklich bedeutet
Struktur bedeutet nicht Kontrolle. Struktur ist ein gemeinsames Verständnis darüber, wie Dinge ablaufen, wer Entscheidungen trifft und wofür jeder Verantwortung trägt. Sie ist die unsichtbare Ordnung, die tragfähige Basis eines Unternehmens. Ähnlich wie die Statik eines Gebäudes, die man nicht sieht, die aber tragfähig sein muss.
Viele Unternehmer verwechseln Struktur mit Bürokratie. Sie befürchten, dass Regeln die Freiheit ihrer Mitarbeiter einschränkt oder das persönliche Miteinander zerstört. Doch das Gegenteil ist der Fall: Je klarer die Struktur, desto größer die Freiheit.
Struktur ermöglicht Verantwortung, weil sie Orientierung gibt. Sie schafft Sicherheit, weil sie vorhersehbar ist. Und sie entlastet, vor allem die Firmeninhaber, weil sie Entscheidungen dort lässt, wo sie hingehören.
In einem strukturierten Unternehmen weiß jeder, was von ihm erwartet wird. Dadurch entsteht Verlässlichkeit im Handeln, in den Ergebnissen und sie verbessert letztendlich auch die Stimmung im Unternehmen.
Was eine gute Struktur im Alltag bewirkt
Eine gute Struktur fühlt sich nicht nach Regeln an, sondern nach Ruhe. Entscheidungen werde dort getroffen, wo sie hingehören. Der Unternehmer merkt, dass sein Kalender Luft bekommt und das Team die gewünschte Verantwortung übernimmt.
In Meetings entsteht Klarheit, weil jeder weiß, was die eigene Rolle ist. Kunden spüren Verlässlichkeit, weil Absprachen eingehalten werden. Und Mitarbeiter erleben Sicherheit, weil sie wissen, was von ihnen erwartet wird. Damit gibst du den Menschen in deinem Unternehmen Orientierung.
„Orientierung geben ist ein allgemeingültiges Prinzip. Es ist auch eines der wichtigen Führungsgesetze. Der Vorteil liegt auf der Hand. Wenn du Orientierung gibst, geschehen die Dinge so, wie du es möchtest. Auf der anderen Seite, wenn du es nicht tust, wirst du irgendwann Chaos – oder wie ich es gerne formuliere: Freestyle – in deiner Firma und um dich herum haben. Jeder Mensch hat seine eigenen Vorstellungen davon, wie die Dinge funktionieren sollen. Und in den wenigsten Fällen ist diese Vorstellung identisch mit deiner.“ (aus: Teamspirit von Oliver Bornemann)
Struktur ist damit mehr als nur ein Organisationsprinzip. Sie zeigt, dass du deinem Team zutraust, selbständig zu denken und zu handeln. Und es zeigt deinen Mitarbeitern, dass du dich traust, loszulassen, weil du Vertrauen in ihre Fähigkeiten hast.
Warum fehlt häufig die passende Struktur?
Am Anfang ersetzt die persönliche Beziehung die Struktur. Man spricht bei Bedarf miteinander, trifft schnelle Entscheidungen und löst vieles intuitiv und aus dem Bauch heraus. Das funktioniert, solange das Team klein ist.
Doch je mehr Menschen hinzukommen, desto stärker werden Abläufe zur Auslegungssache. Jeder hat ein anderes Verständnis davon, wie es gemacht werden soll.
Die tieferen Ursachen hinter fehlender Struktur
In fast jedem Unternehmen, das ich begleite, liegt die eigentliche Ursache nicht im Wollen, sondern im System. Viele Firmen wachsen, ohne dass ihre Struktur mitwächst.
- Wachstum ohne Nachjustierung: Was anfangs durch kurze Wege funktioniert, wird mit jedem neuen Mitarbeiter komplexer.
- Zu starke persönliche Bindung: Viele Unternehmer kennen ihr Team seit Jahren und wollen Konflikte vermeiden.
- Keine Zeit für Strukturarbeit: Das Dringende hat zwei Beine und gewinnt vor dem Wichtigen, das Unternehmer eigentlich erledigen wollen.
- Fehlende Führungsebenen: Der Unternehmer ist gleichzeitig Visionär, Entscheider, Verkäufer und Feuerwehrmann.
Diese Ursachen führen dazu, dass Unternehmen nicht an ihrer Größe an sich scheitern, sondern an der fehlenden Struktur für diese Größe.
Was passiert, wenn Struktur fehlt
Fehlende Struktur ist wie unsichtbarer Sand im Getriebe. Am Anfang läuft alles scheinbar reibungslos, aber mit der Zeit wird alles schwerfälliger.
Die Folgen zeigen sich überall im Alltag:
- Entscheidungen dauern länger, weil Rückfragen steigen.
- Gute Mitarbeiter verlieren die Motivation, weil sie nie sicher sind, woran sie sind. Außerdem müssen sie häufig die Nacharbeit für die Fehler anderer erledigen.
- Konflikte häufen sich, weil Verantwortung nicht klar abgegrenzt ist.
- Der Unternehmer selbst verliert die Freude, weil er das Gefühl hat, permanent mit allem möglichen Kleinkram beschäftigt zu sein, aber nichts von dem fertig wird, was er sich vorgenommen hat.
Eine fehlende Struktur erzeugt also nicht nur organisatorisches Chaos, sondern auch emotionale Erschöpfung.
Viele Unternehmer spüren das bereits, bevor sie es einordnen können. Sie sind müde und sie fangen an zu zweifeln, obwohl das Geschäft läuft. Das ist kein Zeichen von Schwäche, es ist ein Symptom fehlender Ordnung.
Warum viele Unternehmer zögern, Strukturen einzuführen
Es gibt einen unterschwelligen Widerstand gegen Struktur, den ich in vielen Gesprächen erlebe. Er äußert sich in Sätzen wie:
„Ich will nicht, dass alles zu starr wird.“
„Ich brauche keine Regeln, ich habe Vertrauen.“
„Wenn ich das zu sehr reguliere, geht unsere Kultur verloren.“
Hinter diesen Sätzen steckt meistens etwas Tieferes: Die Angst, die gute Beziehung zu den Mitarbeitern zu verlieren.
Viele Unternehmer haben ihr Team mit persönlichen Beziehungen aufgebaut. Sie wollen, dass alle sich wohlfühlen, dass es menschlich bleibt.
Doch klare Strukturen sind kein Gegensatz zu Vertrauen, sie sind die Voraussetzung dafür.
Nähe ersetzt keine Struktur
Viele Unternehmer kompensieren fehlende Struktur mit Nähe. Sie lösen Spannungen durch Gespräche. Das funktioniert, solange sie anwesend sind. Doch sobald sie fehlen, entsteht ein Vakuum.
Diese Nähe ist erstmal kein Problem, sie ist sogar wertvoll. Sie ersetzt aber nicht die klaren Verantwortlichkeiten, die zur Entlastung und zur Klarheit beitragen.
Struktur allgemein heißt: Wer darf entscheiden, wer soll gefragt werden, wer ist verantwortlich für das Ergebnis?
Beziehung in Strukturen heißt: Ich traue dir etwas zu. Ich traue dir auch zu, mit den Konsequenzen deiner Entscheidungen klar zu kommen.
Erst, wenn Nähe und Struktur im Gleichgewicht sind, funktioniert Führung. Nähe ohne Struktur führt zu Chaos. Struktur ohne Nähe führt zu Kälte. Der Mittelweg führt zum Ziel.
Wenn Menschen Strukturen sabotieren
Auch die beste Struktur nützt nichts, wenn die beteiligten Menschen unbewusst dagegen arbeiten. Das passiert nicht aus Böswilligkeit, sondern hat psychologische Muster als Grundlage:
- Manche wollen die eigene Sicherheit behalten und wehren sich gegen Veränderung.
- Andere haben gelernt, Verantwortung lieber abzugeben, um Fehler zu vermeiden.
- Wieder andere fühlen sich bedroht, wenn klare Rollen eingeführt werden.
Eine neue Struktur verändert Dynamiken, ja, und das erzeugt häufig auch Reibung. Wenn du anerkennst, dass Widerstand kein persönlicher Angriff ist, sondern ein Ausdruck von Unsicherheit, kannst du ruhig bleiben.
Gute Unternehmer arbeiten nicht gegen den Widerstand, sondern lösen ihn nach und nach auf. Sie erklären, warum Struktur alle entlastet und sie zeigen, wo der persönliche Freiraum bleibt.
So entsteht langfristiges Vertrauen, dass die notwendige Struktur kein Kontrollinstrument ist, sondern eine neue, gemeinsame Sprache für die Zusammenarbeit.
Praxisbeispiel eines Unternehmens
Ein Handwerksbetrieb mit 18 Mitarbeitern, vollen Auftragsbüchern und täglichen Störungen durch Rückfragen, fehlendes Material und ineffizientes Arbeiten, das in Summe 80.000 Euro gekostet hat.
Der Chef wurde permanent aus seiner Arbeit rausgerissen, jede kleine Entscheidung landete wieder bei ihm.
Gemeinsam haben wir die Rollen neu sortiert: Was sind die Aufgaben der Projektleiter, wer trifft außer dem Chef Entscheidungen im Tagesgeschäft, wer ist verantwortlich für Material und Qualität.
Nach drei Monaten und ein paar überwundenen Rückschlägen war der Unternehmer nicht mehr ständig Feuerwehrmann und Retter in der Not.
Er konnte sich endlich um sein lange aufgeschobenes Herzensprojekt kümmern, das ihm neue Kundengruppen einbringt.
Sein Fazit: „Ich habe gemerkt, dass mein Team gar nicht mehr Führung wollte. Es brauchte nur mehr Klarheit.“
Das ist der Punkt: Struktur schafft Vertrauen, weil sie die latente Unsicherheit beseitigt.
Woran du eine fehlende Struktur erkennst
- Rückfragen: Mitarbeiter holen sich für Kleinigkeiten deine Freigabe.
- Unklare Zuständigkeiten: Aufgaben werden doppelt gemacht oder bleiben liegen.
- Entscheidungen bleiben an dir hängen, selbst wenn du Aufgaben längst abgegeben hast.
- Feuerwehr statt Führung: Du reagierst, anstatt zu gestalten.
In den meisten Fällen sind das alles keine Führungsfehler. Es sind Wachstumssymptome. Sie zeigen, dass dein Unternehmen größer geworden ist, aber die Struktur dahinter nicht mitgewachsen ist.
„Wir kennen es aus ganz vielen Bereichen unseres Lebens, Regeln erleichtern das Zusammenleben. Ohne Regeln bricht der Straßenverkehr zusammen, Regeln sind wichtig im Sport. Ohne Regeln würde zu oft Chaos herrschen.“ (aus: Teamspirit von Oliver Bornemann)
Wie du beginnen kannst, eine hilfreiche Struktur im Unternehmen zu schaffen
Wähle einen Bereich, in dem du aktuell am häufigsten eingreifen musst. Frage dich:
- Wer ist hier wirklich verantwortlich oder könnte es sein?
- Welche Entscheidung landet immer wieder bei mir?
- Welche Regeln fehlen, damit meine Mitarbeiter selbständig handeln können?
Allein diese Fragen bringen oft mehr Klarheit als ein Organigramm. Klarheit ist der erste Schritt zu Struktur und damit der Anfang von Entlastung.
Dein Weg zu mehr Struktur
Wenn du mehr Ordnung in dein Unternehmen bringen willst, beginne mit einem einfachen, vierstufigen Pfad:
1. Beobachten statt sofort einzugreifen.
2. Verantwortlichkeiten sichtbar machen.
3. Routinen schaffen.
4. Führungsgespräche mit Struktur.
Diese vier Schritte sind der Kern eines Systems, das dich entlastet und dein Unternehmen handlungsfähig hält, auch wenn du einmal nicht da bist.
Wie du Fortschritt erkennst:
- Rückfragen werden weniger.
- Entscheidungen werden schneller getroffen.
- Du bekommst wieder Luft zum Atmen.
Typische Fragen, die Unternehmer in dieser Phase stellen (FAQ)
Wie lange dauert es, bis die Strukturen wirksam werden?
Erste Entlastung spürst du meistens schon nach wenigen Wochen, nachdem die Zuständigkeiten klar sind. Eine nachhaltige Wirkung entsteht, sobald die Routinen etabliert sind und automatisch greifen. Erfahrungsgemäß ist das nach etwa drei Monaten.
Wie schaffe ich Struktur, ohne alles zu verkomplizieren?
Prüfe regelmäßig, was wirklich gebraucht wird. Streiche, was niemand oder niemandem nutzt. Struktur ist kein Denkmal, sondern ein Werkzeug.
Wie nehme ich mein Team auf dem Weg zu einer neuen Struktur mit?
Indem du erklärst, warum die Struktur sie entlastet und nicht, warum du sie willst. Menschen folgen Sinn, nicht Anweisungen.
Was mache ich, wenn sich meine Mitarbeiter gegen eine neue Struktur wehren?
Widerstand ist normal. Bleib ruhig. Widerstand zeigt dir, wo die Ängste deiner Mitarbeiter liegen. Lade dein Team ein, offen zu sagen, was sie brauchen, damit sie in der neuen Struktur ihren Platz finden.
Struktur und Entwicklung
Es gibt einen schönen Spruch, den ich gerne verwende: Das Auge des Bauern macht die Kühe fett.
Viele Unternehmer glauben, Struktur sei etwas, das man einmal aufsetzt und das war’s dann. In Wahrheit ist sie wie ein Garten, der gepflegt werden will.
Mit jedem neuen Mitarbeiter verändert sich „das System Firma“. Mit jedem Mitarbeiter, der das Unternehmen verlässt, verändert sich die Balance in der Struktur.
Deshalb braucht Struktur eine regelmäßige Reflexion:
- Was funktioniert noch?
- Was ist überflüssig geworden?
- Wo braucht es neue Klarheit?
So bleibt dein Unternehmen zukunftsfähig und agil.
Teamspirit und Struktur gehören zusammen
Viele Unternehmer fragen mich: „Wie schaffe ich Struktur, ohne meine Kultur und mein Betriebsklima zu zerstören?“
Meine Antwort: „Du entwickelst beides gleichzeitig.“
Teamspirit ist das Fundament, auf dem die hilfreiche Struktur entstehen und sich entwickeln kann. Struktur wiederum schützt den Teamspirit vor Überforderung.
Deshalb ist die wahre Aufgabe eines Unternehmers, beides zu verbinden.
Der eigentliche Wendepunkt
Ich sehe diese Dynamik jede Woche in Unternehmergesprächen. Fehlende Struktur ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eher ein Übergang: Vom „selbst machen“ zum „gemeinsam gestalten“.
Es ist der Moment, in dem du vom Mittelpunkt von allem zum Gestalter mit mehr Freiheit wirst.
Gestalte das Unternehmen, das dir entspricht.
PS: Wenn du herausfinden möchtest, an welcher Stelle in deinem Unternehmen die größten Struktur-Potenziale liegen, vereinbare hier ein kurzes Orientierungsgespräch.
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